
Als ich am 16. Januar in Nepal gelandet bin, ging es mit Iswor sofort
zum Kinderhaus. Zu meiner Erleichterung - und Freude - haben sich dort
in den letzten Monaten ausschließlich positive Veränderungen
vollzogen. Die Kinder sind mittlerweile noch mehr zu einer Familie zusammengewachsen.
Im Haus herrscht ein stetiges Füreinander und jeder nimmt einerseits
seine "Pflichten" wahr - erfreut sich aber andererseits auch
enorm an seinen "Rechten".
Aktuell befinden sich in unserem Haus 8 Kinder. 7 Mädchen und 1 Junge im Alter von 5 bis 8 Jahre. (+ die Töchter der Familie Joshi; 6 Jahre / bzw. 10 Monate) Jetzt werden einige fragen: 8?? Da waren doch mal 9?!!? - Das stimmt soweit. Dazu ein paar Sätze zum allgemeinen Verständnis:
Die Kinder, die in unser Haus kommen sind größtenteils Waisen
und stammen nicht aus dem Kathmandutal. Sie werden von Verwandten oder
Freuden ins Haus gebracht und verbringen dort fortan ihr weiteres Leben.
Hin und wieder kommen die Verwandten (zumeist an speziellen Hindu-Feiertagen)
zum Haus um die Kinder zu besuchen. Das passiert aber eher selten, da
die Anreise in der Regel zu teuer oder zu zeitaufwendig ist. Nehmen wir
aber Kinder aus der unmittelbaren Umgebung auf (was wir tun müssen,
um das Haus in der Gegend zu etablieren sowie dem Faktor Neid vorzubeugen
- jede Organisation verfährt so), so kann es vorkommen, das nach
einer Weile Verwandte regelmäßig ins Haus kommen und das Kind
schließlich einfach wieder mitnehmen. Das ist natürlich "wirtschaftlich
irrational", da es kein Geld für die weitere Versorgung des
Kindes gibt - hat aber emotionale, daher absolut verständliche Gründe.
In unserem Fall hat der Großvater den Jungen wieder aus dem Haus
geholt, weil er ihn so sehr vermisste. Der Junge treibt sich nun wieder
in Bhaktapur-City rum und bettelt mit - und für - seine Opa. Es
macht aber derzeit keinen Sinn, ihn in die Hausgemeinschaft zurück
zu holen.
Die immer wiederkehrenden Besuche des Opas und die Rebellion des Jungen
(er hat über Wochen jeden Abend ins Bett gemacht - auch groß!)
haben ein Verweilen im Haus - jedenfalls momentan - unmöglich gemacht.
Ich habe Iswor nun gebeten, den Jungen im Auge zu behalten. Vielleicht
können wir ihn ja zumindest irgendwie dazu bringen, dass er zumindest
die Schule - auf Kosten des Hauses -regelmäßig besucht.
Ein weiter "tragischer Fall" ist Pratima. Wie bereits vor
ein paar Monaten berichtet, ist sie am Herz erkrankt. Als der Doktor
dies damals (im Juli) feststellte, gab es noch keinen offiziellen Verein
auf nepalesischer Seite und daher keine rechtliche Grundlage für
Iswor entsprechend zu handeln. Verschreckt von der hohen Summe der OP-Kosten
(100000 Rupien - ca. 1300 Euro) hat die Mutter (selbst schwer krank,
alleine erziehend und bettelarm!!!) das Kind gemeinsam mit einer Tante
aus dem Kinderhaus und mit nach Haus in die Gegend um Nuwarkot genommen
(2 Tage von Bhaktapur entfernt). Pratima lebt nun wieder bei den Verwandten,
hat aber weder regelmäßiges Essen, noch Schulbildung. Von
einer ärztlichen Vorsorge wollen wir an dieser Stelle ganz schweigen...Außerdem
vermisst sie laut Informationen unseres "Mittelmanns" das Haus
sehr!
Ich bin mit Iswor jetzt so verblieben, dass er den Kontakt wieder herstellt
und die Verwandten eines der "rechtlich absichernden Papiere" (Vollmacht
zur Veranlassung einer Operation) unterschreiben lässt. Ein Arzt
soll dann die Notwenigkeit einer OP bestimmen und uns einen Preis nennen
(schriftlich). Wir verfahren dann entsprechend weiter und nehmen eine
gesunde Pratima - hoffentlich - wieder im Haus auf!
Ein weiteres Schwerpunktthema der Reise war eine Erweiterung des Kinderhauses. Da die Kapazität des Hauses bei 14 Kindern liegt, wir derzeit aber nur mit 8 belegt sind, habe ich Iswor gebeten, im Verlauf der kommenden Monate aufzustocken. Pro Kind würden Mehrkosten von ca. 25 - 30 Euro pro Monat (!) entstehen. die Kinder sollen in die allgemeine Struktur passen und die nächsten 2 sollen nach Möglichkeit Jungs sein (damit unser bisher einziger Junge bei so vielen Weiberlein keine Neurose bekommt...).
Abschließend bleibt noch zu sagen, dass ich mit den Kindern viel Zeit verbracht (unter anderem in einem Kinderpark) und den Eindruck gewonnen habe, dass sie sich im Haus sehr glücklich und unbeschwert fühlen. Es wird viel gelacht und geredet (auch wenn ich da nix verstanden habe...). Sie kümmern sich sehr fürsorglich umeinander und sind im Haus diszipliniert. Sobald sie von der Schule nach Hause kommen werden zu allererst Hausaufgaben gemacht. Alle unsere Kinder gehören schon jetzt zu den Besten ihrer Klassen (da geht es ihnen besser als manchen von uns damals!). Das soll aber nicht heißen, dass wir im Kinderhaus ein "strenges Regiment" führen und die Kinder zu Eliteschülern ausbilden wollen. Ganz sicher nicht! Die Disziplin ergibt sich vielmehr daraus, dass alle Kinder sehr schnell ein Vertrauensverhältnis zu Iswor und Sahan aufgebaut haben und sie als "Eltern" akzeptieren. Die engagierte Arbeit der Haushalts- und Lernhilfen rundet das Bild wunderbar ab.
Mein Besuch im Kinderhaus hat mich wieder einmal daran erinnert, dass wir mit unserem Projekt das absolut richtige tun!
Arno Schneppenheim